Requiem For A Dream - Darren Aronofsky / USA 2000
Gesichtet von alex, jay, ksr, stb am 13.03.04

imdb-Info

"Ein beachtenswerter Film, aber ihn sich ein zweites Mal anzuschauen dürfte schon den Tatbestand des Masochismus erfüllen." Jeff Shannon

Inhalt (Pressetext)
Eine Schar von Verlierern: Harry ist ein kleiner Dealer in Brooklyn, immer auf der Suche nach dem nächsten Schuß und voller Hoffnung auf das große Geld. Er und sein Freund Tyrone strecken Heroin und sind auf dem Weg nach Florida, um es dort an den Mann zu bringen. Harrys Freundin Marion bleibt in New York. Sie ist schön, aus gutem Haus - und ebenfalls hoffnunglos süchtig. Mit dem Dealer Big Tim tauscht sie Sex gegen Dope. Harrys Mutter hingegen scheint einen Treffer gelandet zu haben: Sie ist als Kandidatin für ihre Lieblings-TV-Show eingeladen. Bis zu ihrem Auftritt möchte sie mit Hilfe von Appetitzüglern abnehmen. Doch durch ihren Pillenkonsum verliert sie völlig den Kontakt zur Realität...

Rezension (von stb)
Man könnte den Inhalt von Darren Aronofskys Drama "Requiem for a Dream" in drei Worten zusammenfassen: Sucht. Träumerei. Absturz. Diese Formel, vermutlich die adäquate Beschreibung von Drogenabhängigkeit schlechthin, exerziert der Film am Beispiel von vier Menschen durch, indem er ihrem von Selbsttäuschungen und Realitätsverlust geprägten Abstieg aus scheinbar gesicherten Verhältnissen in eine Hölle folgt, in der sich schließlich alle Träume so nachhaltig auflösen, dass nicht einmal mehr der nächste Drogentrip sie zurückbringen kann. Zentrale Figur der Handlung ist die von Ellen Burstyn herausragend gespielte Sarah Goldfarb, eine ältere jüdische Witwe, die durch die Aussicht auf einen Fernsehauftritt aus der Bahn geworfen wird. Um abzunehmen lässt sie sich von einem zwielichtigen Arzt (der Film stellt dem amerikanischen Gesundheitswesen generell kein gutes Zeugnis aus) appetithemmende Pillen verschreiben und verfällt auf diese Weise ohne es zu merken erst der Sucht und dann dem Wahnsinn. Im Gegensatz dazu bleiben bei den drei anderen Hauptcharakteren die Ursachen ihrer Abhängigkeit weitgehend im Dunkeln. Sarahs Sohn Harry, seine Freundin Marion und sein Freund Tyrone sind bereits hoffnungslos süchtig, als der Film beginnt, und es lässt sich höchstens erahnen, dass die Gründe dafür in den familiären Verhältnissen, im sozialen Milieu, in Langeweile und vielleicht in einer Kombination von alldem gelegen haben könnten. Letztendlich, auch das ist eine Botschaft von "Requiem for a Dream", spielt das auch keine Rolle, denn ganz egal, wie die Sucht begonnen haben mag, sie führt nur auf einen Pfad. Nicht der Ursache, sondern der Wirkung gilt Aronofskys eigentliches Interesse. Sarahs Schicksal illustriert nur, wie leicht, wie alltäglich man die Kontrolle verlieren kann. Deshalb ist der Film keine Milieustudie, wie es bei dieser Thematik sonst so beliebt ist, und er konzentriert sich voll und ganz auf seine vier Hauptfiguren. Andere Personen tauchen nur am Rande und dann oft schemenhaft auf, fast immer mit demselben Hintergrund: Sie stehen irgendwie in Verbindung mit der Beschaffung von Stoff. Es gibt keine anderen Angehörigen, keine Freunde, niemanden, der helfen kann oder will. Auf diese Weise illustriert Aronofsky die zunehmende Isolation der Abhängigen, deren Leben nur noch durch die Sucht bestimmt und am Ende auch von ihr zerstört wird.
Der hochartifizielle Inszenierungsstil, der sämtliche filmischen Mittel, Zeitrafferaufnahmen, schwebende und taumelnde Kamerafahrten, Splitscreen, extreme Detailaufnahmen und rasende Schnittfolgen, einsetzt, um Drogenerfahrung und Selbstzerstörung zu bebildern, ist anfangs gewöhnungsbedürftig, wie auch der Film überhaupt in der ersten Phase, die Aronofsky mit "Summer" überschreibt, noch ein wenig auf der Stelle zu treten scheint. Mit fortschreitender Handlung aber entfaltet "Requiem for a Dream" eine sogartige Wirkung, der man sich kaum entziehen kann, wenn im zweiten Teil - mehrdeutig "Fall" betitelt - der unaufhaltsame Absturz der Süchtigen beginnt, und zum Schluss ("Winter") überrollt einen der Film mit der Wucht eines ungebremsten Güterzuges. So spiegelt auch das Erlebnis des Zuschauers den Weg der Figuren wieder. Beiden gönnt Aronofsky am Ende keine Erlösung - weder durch den Tod als konsequentes Ergebnis der Selbstzerstörung noch durch eine hoffnungsvolle Wende, eine Umkehr im letzten Moment. Der Film endet, wenn sich seine Protagonisten auf dem Tiefpunkt ihrer Existenz befinden, er lässt offen was danach kommen mag: Ob Harry nach dem Verlust seines Arms vielleicht tatsächlich den Absprung schaffen könnte, wie lange Marion ihre Sucht, für die sie sich inzwischen bereitwillig prostituiert, noch überleben wird, wie lange Sarah noch in der Psychatrie dahindämmern muss...
"Requiem for a Dream" ist definitiv kein Film, den anzuschauen Spaß macht. Eher im Gegenteil. Aber das macht ihn nicht im geringsten weniger sehenswert. Außergewöhnlich, beklemmend und stellenweise schlichtweg brillant.