Kill Bill Vol. 2 - Quentin Tarantino / USA 2004

imdb-Info

"Revenge is a dish best served cold" (Klingonisches Sprichwort)

Inhalt (Pressetext)
Der Blutdurst der 'Braut' (Uma Thurman) ist noch nicht gestillt. Vier Jahre zuvor hatten ihr ehemaliger Geliebter Bill (David Carradine) und dessen Deadly Viper Assassination Squad am Tag ihrer Hochzeit ihren Verlobten, vermeintlich ihr ungeborenes Baby getötet und die Braut selbst sterbend zurückgelassen. Nachdem sie aus dem Koma erwacht war, hatte sie in Japan O-Ren Ishii (Lucy Liu) und in einer kalifornischen Kleinstadt Vernita Green (Vivica A. Fox) im Duell ausgelöscht. Nun stehen noch drei weitere Namen auf der Todesliste der Braut: Bills heruntergekommener Bruder Budd (Michael Madsen) und ihre ewige Rivalin Elle Driver (Daryl Hannah) müssen beseitigt werden, bevor sie sich Bill in dessen Unterschlupf in Mexiko vornehmen kann. Auf dem dornigen Weg wartet so manche Überraschung auf die Rächerin ... und die schockierende Erkenntnis, dass ihre Tochter am Leben ist und von Bill großgezogen wird...

Weitere Infos (von ksr)
Zweiter Teil des Epos, das von Quentin Tarantino eigentlich als ein Film geplant war, aber schließlich aufgrund seiner Länge als Zweiteiler in die Kinos kam.

Rezension (von ksr)
Nahezu erschlagen verlässt man das Kino und fragt sich: Was habe ich da eigentlich eben gesehen? Einen Kung-Fu-Film? Einen Western? Ein Liebesdrama? Ein zwiespältiges Plädoyer für Selbstjustiz und grenzenlose Rache? Die perfekte Symbiose aus Bild und Ton?
Auf jeden Fall "the 4th film by Quentin Tarantino", wie das produzierende Filmstudio Miramax seit letztem Jahr nüchtern den 55 Millionen Dollar teuren Rachefeldzug einer Frau, die als einzige ein Killer-Massaker überlebt, anpreist. Der Name Tarantinos scheint zu genügen - jedenfalls schürt er hohe Erwartungen.
In Kill Bill Vol.2 setzt Uma Thurman fort, was sie im ersten Teil begonnen hat - und doch ist alles ganz anders: Indem wir sehen, was sich kurz vor dem "Two Pines Massacre" im texanischen El Paso, das direkt aus dem Wilden Westen zu stammen scheint, zugetragen hat, inszeniert Tarantino eine umwerfende Sequenz in Schwarz/Weiss - man wünscht sich, es möge gar nicht mehr farbig werden, während man gleichzeitig ins Grübeln gerät, ob "Spiel mir das Lied vom Tod" denn nun wirklich ein Farbfilm ist.
So mancher Kritiker bekommt bereits in diesem ersten Kapitel einen Dämpfer: Wer in Tarantino einen Gewaltverherrlicher sieht, findet in dieser Szene keine Bestätigung: Die Kamera entfernt sich vom Geschehen, bevor sich Bills "Deadly Viper Assasination Squad" daran macht, die Hochzeitsgesellschaft zu exekutieren; schließlich wissen wir bereits, wie dieses Massaker ausgehen wird. Vermeintliche Tarantino-Fans, die den ersten Teil hauptsächlich aufgrund seiner Actionqualitäten und der, oberflächlich betrachtet, durchaus fragwürdigen Gewaltexzesse "geschätzt" haben, dürften mit dem zweiten Teil ohnehin nicht so richtig zufrieden sein. Alle anderen dafür umso mehr.
Denn was mit Vol. 2 folgt, ist ganz großes Kino. Und weit mehr als "A roaring rampage of revenge".
Für "The Bride", die mit diesen Worten direkt zum Zuschauer spricht, sowieso erstmal das Gegenteil - ausgerechnet von ihrem einstigen Killerkollegen Budd, der sich mittlerweile mehr schlecht als recht als Rausschmeißer und Kloputzer durchschlägt, wird sie bezwungen. Mit einer einzigen Gewehrsalve streckt er sie nieder, ohne dass sie zuvor einmal die Klingen gekreuzt hätten. Während er ein Grab ausheben lässt, ahnen wir, dass folgen wird, was den britischen Hammer-Filmstudios in den 1960er Jahren einen ganzen Spielfilm wert war - ungläubig, dass es wirklich passiert. So soll es zu Ende gehen mit einer Frau, die in Kill Bill Vol. 1 geradezu comichaft zur Superheldin hochstilisiert wurde - die unbesiegbar, ja nahezu unsterblich schien? Gewiss nicht - Tarantino geht nur konsequent den letzten Schritt, um sie vollends zur Ikone werden zu lassen.
Wenn Ihre gespreizte Hand in bester Horrorfilm-Manier aus dem frischen Grab emporschnellt, fühlt man sich an Brian DePalmas "Carrie" erinnert - aber dort ist es nur ein Traum, in Kill Bill ist es die Realität und kommt einer Auferstehung gleich. Nun kann sie nichts und niemand mehr aufhalten.
Und der Höhepunkt ist noch lange nicht erreicht, es steht noch eine Menge bevor: Der Kampf mit der durchgeknallten Elle "Californian Mountain Snake" Driver - im wörtlichsten Sinne Auge um Auge, die Begegnung mit ihrer Tochter und schließlich das etwas andere Finale mit Bill.
Wenn der Film zu Ende geht, hat Tarantino alle Register der Filmkunst gezogen. Die fabelhafte Besetzung hat ein übriges getan - exemplarisch seien David Carradine, Michael Madsen und Daryl Hannah genannt, bei denen man sich fragt, warum es wieder einmal Tarantino sein muss, der diese Schauspieler in großen Rollen zurück auf die Leinwand bringt.
Sicher, man mag Kill Bill vorwerfen, er habe keine Botschaft, er erzähle nichts über das Leben. Aber er ist Film - vielleicht Film in seiner reinsten Form. Tarantino schöpft alles aus, bis hin zur Episode in ausgewaschenen Farben, leicht grieseligem Bild und den für Bruce Lee-Filmen typischen gerissenen Zooms - origineller könnte die harte Ausbildung bei Pai-Mei nicht dargestellt werden. Desweiteren wechselnde Bildformate und Splitscreen - und zu jeder Zeit geht die Mixtur auf. Dabei ist die formale Seite nicht kunstvoll um der Kunst willen - alles dient seinem inhaltlichen Zweck, und schafft beim Zuschauer eine ungeheuer packende emotionale Anteilnahme, wie sie vielleicht nur im Kino möglich ist - wenn sie uns auch bei weitem nicht bei jedem Film ergreift. Ebenso die erneute, leichte Unordnung in der Chronologie - sie dient nur dem Spannungsaufbau. Es ist ebensowenig "nur" ein "cooler" Kunstgriff wie die oftmals in Tarantinos Werke gedeutete Ironie. Das meiste an seinen Filmen ist nicht ironisch, im Gegenteil: Tarantino nimmt alles absolut ernst, noch ernster als es vielleicht die Macher derjenigen Filme genommen haben, von denen er sich inspirieren ließ - er liebt die Filme, die er zitiert - und das so sehr, dass er sie nicht nur zitiert, sondern erhöht, veredelt, perfektioniert. Und somit ist der Film nie farblos wie ein Plagiat, sondern kraftvoll und explosiv wie ein Feuerwerk, das einem immer wieder staunen läßt.
Wem Quentin Tarantino alles nacheifert - das weiß vermutlich nur er selbst; kann nur jemand wissen, für den das, was der US-Schauspieler Steve Buscemi einst über sich selbst sagte, wahrscheinlich am allermeisten zutrifft: "Filmegucken war meine wahre Ausbildung".